Du stolpertest vor ziemlich genau 4 1/4 Jahren in unser Leben. Unangekündigt. Dafür um so aufdringlicher. Als du dich bei meinem 10 Wochen alten, absolut perfektem, ersten Baby wohl fühltest, habe ich dich verleugnet. Niemand hatte zuvor mit dir Kontakt. Niemand kannte dich. So jemanden lässt man nicht einfach ins Haus. Aber wir hatten dir wohl die Tür einen Spalt breit geöffnet.
Ob der Piecks nach der STIKO nun der Willkommensgruß war oder nur das Schlupfloch, dass können wir auf ewig nur spekulieren. In jedem Fall machtest du es dir offensichtlich bequem. Um dir kein "Futter" zu bieten, war ich bereit auf vieles zu verzichten.
Du verwandeltest mein Baby in einen Sonnenschein mit tiefen Wunden. Aber er blieb mein Sonnenschein. Immer. Egal wie oft er einen Verband bekam oder welche geschmacklich wirklich widerwärtigen Nahrungsmittel er aufgeschwatzt bekam - er lachte immer. Für uns der Hinweis, dass du zwar eine verfluchte Plage warst und bist, aber wir dich auch über kurz oder lang ziemlich penetrant aus unserem leben ekeln können. Zuckerperlen a la Globuli, Schüssler Salze und unendlich viel Schmierwerk sollten dir das heimische austreiben. Der Sommer kam und ich hatte große Angst vor kurzärmligen Bodies und keinen Jacken, in die ich mein Baby "pucken" konnte, damit es sich bei Spaziergängen nicht blutig kratzte. Und der deutsche Sommer 2011 war auf meiner Seite. Es gab wenig Tage an denen kurze Kleidung notwendig war.
Aber dann wolltest du mich prüfen. Wie ich mit dem Kommenden umgehen würde. Mit einer winzigen entzündeten Stelle zeigtest du mir, was du wirklich drauf hast. Dein Vergnügen, unser Leid: Der Superinfekt.
Tag 5 in der
Klinik. Alles schon wieder gut - zum Glück
So tapfer der kleine Mann war, so nervig und anhänglich warst du. 3 Tage blieb das hohe Fieber.
Egal wie viele fiebersenkende Mittel es im Wechsel gab. Dafür schlug die Antibiose oder das Virustatika sofort an. Was genau, wissen wir bis heute nicht. So schnell sich der Superinfekt über Gesicht und Oberkörper ausbreitete, so abrupt stoppte es. Du hattest richtig gute Arbeit geleistet. Die Ärzte konnten nicht glauben, dass dieser Bub tatsächlich noch nie zuvor ernsthaft krank war. Sein Blutbild war verwirrend. Die Immunwerte passten nicht zum bisherigen Krankheitsverlauf. Jedoch blieb das voerst nebensächlich.
Am 4. Tag sank das Fieber etwas. Am 5. Tag verabschiedete es sich. Mein Baby war wieder gänzlich der Sonnenschein, nur langweilte er sich ab Tag 6 doch sehr. Und weil es so gut um sein Immunsystem stand, lutschte er bei jeder sich bietenden Möglichkeit die Gitterstäbe des Krankenbettes ab.
Beste
Zahnungshilfe überhaupt! Nur nicht wünschenswert, dass man sie in
Gebrauch nehmen muss
Nach 10 Tagen endete die Medikation, die Nadel wurde gezogen und
wir durften wieder heim. Mit bester Empfehlung der Chefärzte, den in
wenigen Wochen geplanten Urlaub in Kuba zu genießen und dir den
Rücken zu zukehren. Der Kinderarzt war anderer Meinung und betonte,
dass er so eine Empfehlung nicht aussprechen könne. Ein Kind, gerade
so mit abgeheilten Superinfekt 11 Stunden in einen Flieger zu setzten
und 4 Wochen in einer völlig fremden Umgebung zu leben. Wir
zweifelten und lernten dann doch erstmals - auf das Bauchgefühl von
Eltern ist verlass. Wir trauten dir nicht zu, dich in einem solchen
Klima zu zeigen. Und wir sollten recht behalten.
Erinnerung an unseren Kurzaufenthalt in Einzelhaft im Einzelzimmer
Wir lesen uns 10 000 km von zu Hause entfernt wieder.
Erschöpft.
Minensie
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